Textilfassaden: Wie recycelter Kunststoff der Umwelt zugute kommt

Die Themen Klima- und Umweltschutz sind in aller Munde. Anlass dazu geben nicht zuletzt Bilder von großen Städten, die unter dichten Smogwolken versinken. Mit einem ambitionierten Projekt hat die RWTH Aachen der Luftverschmutzung jedoch nun den Kampf angesagt, wobei ausgerechnet PVC eine besondere Rolle im Ringen um ein grünes Miteinander zukommt.

Aus recycelten Kunststoffflaschen entwickelte das Forscherteam um den Architekten Jan Serode nämlich eine luftreinigende Textilfassade. Das Konzept befindet sich an einem Bürogebäude in Hamburg bereits im Testbetrieb und steht nun kurz vor der Marktreife.

Weniger Schadstoffe dank textiler Luftreiniger

Doch wie genau kann eine textile Fassade überhaupt dazu beitragen, Luftverschmutzung in Städten zu verringern? Dafür ist eine ausgeklügelte Funktionsweise verantwortlich, die Schadstoffe wie Stickoxide aus der Luft filtert und unschädlich macht. Durch UV-Licht werden Schadstoffe an die Fassade gebunden und anschließend mittels chemischer Oxidationsprozesse in weniger gefährlichere Salzverbindungen umgewandelt. Sobald es zu regnen anfängt, finden die Rückstände auf ganz natürliche Weise ihren Weg zurück in die Umwelt.

Die entstandenen Salze sind für Natur und Mensch dabei unbedenklich, betont Architekt Serode. Zwar könnte auf den Fassaden das toxische Nitrat entstehen, die Konzentration im Regenwasser sei allerdings so gering, dass kein Grund zur Sorge bestehe. „Theoretisch könnte man es sogar trinken“, meint Serode. Da es sich bei Nitrat zudem um einen essentiellen Bestandteil von Düngermitteln handelt, kann dem Restprodukt nicht zuletzt ein Nutzen abgewonnen werden.

Weltweit erste NOx-bindende Textilfassade am Hamburger ECE-Campus. (Fotos: ECE)
Weltweit erste NOx-bindende Textilfassade am Hamburger ECE-Campus. (Fotos: ECE)

Für das Regenwasser ergeben sich jedoch noch andere Verwendungsmöglichkeiten: Denkbar wäre nämlich, zusätzlich zur Textilhülle begrünte Fassaden zu verbauen, welche mit dem aufgefangenen Regenwasser bewässert werden. Dadurch könnten Umgebungstemperaturen signifikant gesenkt werden und „Hitzeinseln“ gar nicht erst entstehen.

Smarte Bauweise sorgt für Kühleffekte

Die neuartigen Textilfassaden leisten aber noch weitaus mehr. Da sie direkt vor den Gebäudewänden angebracht sind, entsteht ein kleines Luftpolster, das für einen merkbaren Kühleffekt sorgt. Dies wirkt sich positiv auf den Energiebedarf beim Kühlen aus – die Forscher gehen von einem Einsparpotential von bis zu 78 Prozent aus.

Was außerdem für den Einsatz solcher Fassaden sprechen könnte: Die vergleichsweise unkomplizierte Montage. Aufgrund der Leichtbauweise mit einer metallischen Unterkonstruktion gelingt das Anbringen der Textilien fast schon mühelos und innerhalb kürzester Zeit. Auch bei Wartungs- und Demontagearbeiten hält sich der Aufwand so in Grenzen.

Gute Durchschaubarkeit der Textilfassaden

Trotz zahlreicher nützlicher Effekte für Natur und Umwelt sah sich das Forscherteam zunächst jedoch viel Skepsis ausgesetzt. Ein Stuttgarter Architekturbüro wollte beispielsweise nicht wahrhaben, dass sich durch die Textilfassaden problemlos nach draußen schauen lässt. Doch hier wissen die Forscher zu beschwichtigen. Dank zahlreicher Experimente mit dem Textilgewebe und einer Studie von Augenärzten ließen sich alle Zweifel schnell widerlegen. Es zeigte sich: Bei den Textilfassaden behielt man den Durchblick.

Was bringt die Zukunft?

Gespannt sind die Wissenschaftler darauf, was die Zukunft für ihre Erfindung bereithalten könnte. So wird bereits am Einbau von Photovoltaik geforscht, um die Gebäude selbständig mit Energie zu versorgen. Auch an Leuchtelemente wurde in diesem Zusammenhang gedacht. Damit wäre es möglich, Bilder oder Schriftzüge auf die Fassaden anzubringen. Sogar Werbung könnte auf den Textilfassaden zu sehen sein und die Erfindung auf diese Weise finanzieren.

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