Wegweisend, bahnbrechend, revolutionär – das sind nur einige der Attribute, mit der die Arbeit der Modedesignerin Mary Quant gewürdigt werden. Mit ihren aufregenden, emanzipatorischen Outfits stellte sie die Modewelt auf den Kopf und prägte den Look einer ganzen Generation. Am 13. April ist die legendäre Modeschöpferin nun im Alter von 93 Jahren verstorben. In Erinnerung bleiben wird sie den meisten dabei als jene Designerin, die den Minirock populär machte. Doch auch andere Looks waren prägend für ihren Stil: So zum Beispiel ausgefallene Mäntel und Stiefel aus PVC, die nicht nur optische Highlights waren, sondern auch mit ihrer Funktionalität überzeugten.
Eine Designerlegende
Mary Quant wurde 1930 als Tochter eines walisischen Lehrerpaares in London geboren. Schon als Kind hatte sie dabei den Traum, Modedesignerin zu werden, was bei ihren Eltern allerdings auf wenig Begeisterung stieß. So entschied sie sich zunächst, am renommierten Goldsmiths College Illustration zu studieren, um Kunstlehrerin zu werden. Doch die Begeisterung für Mode ließ sie nicht los: Während des Studiums entwarf sie nebenbei Designs und kreierte Schnittmuster.

Ins Rollen kam ihre Karriere, als sie 1953 ihren Geschäftspartner und späteren Ehemann Alexander Plunket Greene kennenlernte. Zwei Jahre später eröffnete sie in der King’s Road im Londoner Stadtteil Chelsea ihre erste Boutique, das „Bazaar“. Verkaufte sie zunächst noch Handelsware, entwarf sie sehr bald eigene Modelle. Der Bazaar wurde zum großen Erfolg: Vor allem junge Kundinnen scharten in Massen zu der angesagten Boutique und schnell entwickelte sich ihr Laden zum Mittelpunkt der Londoner Jugendkultur.
Mode, die für Fortschritt und Befreiung steht
Was Mary Quants Mode dabei so populär machte: Sie traf den Zeitgeist der Swinging Sixties und verpasste einer Frauengeneration, die nach Freiheit und Aufbruch strebte, die passende Kleidung. Ihre Designs waren flexibel und agil und ermöglichten uneingeschränktes Bewegen und Arbeiten – Mode für die „working women“. Mary Quant gelang die Verbindung von Funktionalität und guter Optik: Sie bewies, dass Frauen sich auch in zweckmäßiger Kleidung sexy und gut fühlen können. Wie kein anderes ihrer Kleidungsstücke steht dafür der Minirock als Sinnbild: Immer kürzer ließ sie den Saum werden, was mehr als einmal für regelrechte Skandale sorgte.
Nicht zuletzt brach sie mit bestehenden Konventionen und Hierarchien. So übernahm sie Elemente aus der Männermode und stellte damit tradierte Geschlechterrollen infrage. Sie förderte schwarze Models und setzte sich für eine Demokratisierung der Mode ein: Sie wollte Kleidung herstellen, die für alle erschwinglich war und es auch den unteren Schichten ermöglichte, sich stilvoll zu kleiden. Dazu machte sie sogar ihre Schnittmuster publik.
Mary Quant erhielt viele Ehrungen
In den 1960er Jahren ging sie mit ihrem Label, für das sie als Symbol ein Gänseblümchen wählte, in die Massenproduktion. Für Kollektionen wie die Ginger Group designte sie Kleidung, die beliebig kombinierbar war. Kunden mussten damit nicht länger mehr teure Einteiler kaufen und ihr Budget überstrapazieren. Zugleich expandierte sie mit ihrem Label in die USA, wo ihre Kleidung schnell auch in den Boutiquen New Yorks große Beliebtheit erlangte. 1963 wurde ihr dann eine große Ehre zuteil: Von der damaligen Königin Elisabeth II wurde sie für ihre Verdienste zum Officer of the British Empire ernannt.

Später widmete sie sich zunehmend auch anderen Modeartikeln wie Make-Up und Taschen und lancierte sogar eine eigene Puppenkollektion. 2000 erfolgte schließlich der Rückzug aus dem Modegeschäft. 2015 wurde sie zur Dame of the British Empire geschlagen. Vier Jahre später widmete das Victoria & Albert Museum ihrem Schaffen eine Retrospektive.
Die “Wet Collection”: Stylische PVC-Regenmäntel
Mary Quant experimentierte unermüdlich mit Farben, Formen und Stoffen. Ihre Begeisterung für Neues verkörpert wie kaum ein Zweites dabei ihre 1963 veröffentlichte „Wet Collection“: Knallige Regenmäntel aus PVC. Sie war damit die erste Designerin, die die Vorzüge von PVC für die Modewelt entdeckte, wurde das Material vorher schließlich nur für Arbeits- und Schutzkleidung verwendet. Mit ihren spannenden visuellen Effekten und ihrer Praktikabilität zeigten die PVC-Regenmäntel jedoch eindrucksvoll, dass Arbeitskleidung alltagstauglich und modisch zugleich sein konnte.

Es war die Zeit des Space Age, der Technologie-Liebe und der futuristischen Looks. Kunststoffe waren groß im Kommen und standen für wirtschaftlichen Aufschwung und Fortschritt. Quants aufregende PVC-Looks trafen somit den Nerv der Zeit. Sie war fasziniert von den Möglichkeiten des neuen Materials, diesem „superglänzenden, von Menschenhand geschaffenen Zeug und seinen grellen Farben … seinem glänzendem Lakritzschwarz, Weiß und Ingwer“, wie sie in ihrer Biographie von 1966 schreibt.
Doch nicht allein in optischen Belangen punkteten die PVC-Mäntel, vor allem auch die technischen Eigenschaften begeisterten: Extrem wasserabweisend, war man gerade im verregneten London stets gut vor Wettereskapaden geschützt. Mit einem Preis von damals 10 Pfund waren sie zudem überaus günstig, sodass die innovative Mode auch von der breiten Masse getragen werden konnte. In Zusammenarbeit mit Alligator hergestellt, waren die Mäntel in ausgefallenen Farben wie rot, gelb und blau eine gekonnte Abwechslung im Sortiment, denn gängige Regencapes waren davor ausschließlich in schwarz oder braun erhältlich. Verspielte Elemente wie bunte Reißverschlüsse, Kragen und Manschetten komplettierten den poppigen Look.
PVC-Mode auch heute noch beliebt
Ihre Wet Collection war ein gigantischer Erfolg und brachte Mary Quant erstmalig auf das Cover des berühmten „Vogue“-Magazines. Und bei Regenmänteln blieb es nicht: Später entwarf sie mit „Quant afoot“ stylische flache PVC-Stiefel. Auch hier überzeugte das Material. Robust und widerstandkräftig, hielten die Schuhe auch größeren Belastungen stand und konnten aufgrund ihrer Pflegeleichtigkeit im Nu wieder frisch gemacht werden.
Mary Quant ebnete mit ihrer Wet Collection dem Werkstoff PVC eine steile Karriere in der Mode. Bis heute erfreut sich das Material großer Beliebtheit, sei es in wasserdichten Mänteln, Szene-Outfits oder Vintage Dresses.